Dietrich Dimmler besitzt seit 1991 einen Golf I GTI im Originalzustand. Vor drei Jahren baute er ihn zu einem atemberaubenden 2000 E/16 um
Weitsichtige Väter und Mütter erahnen, was für ihre Kinder gut ist. Die Eltern von Dietrich Dimmler (49) gehörten zu ihnen. In Gifhorn bewohnen sie ein eigenes Haus mit vier (!) Garagen. Und das ist auch gut so.
Schon als Halbwüchsiger reichte der heutige Diplomingenieur und Qualitätsbeauftragte bei VW in Wolfsburg seinem Vater mit großer Begeisterung das Werkzeug, wenn der am eigenen Käfer schraubte. „Es war zwar meist das falsche, aber immerhin.“
Immerhin aber war das der Einstieg zur innigen und lebenslangen VW-Liebe wie auch später zu Oettinger, dem ältesten und virtuosesten VW-Tuner aller Zeiten. Zwar war Dimmlers erstes eigenes Auto mit 17 Jahren ein Audi GTE, ein Schützenfestkauf, bei dem seine Schwester als Käuferin vorgeschoben wurde, weil die schon über 18 war. Der Vater war darüber extrem eingeschnappt und redete wochenlang nicht mit seinem Sprössling. „Keinen guten Morgen, nix!“ Ihm schwebte stattdessen ein braver 34 PS-Käfer für einen Führerscheinneuling vor, das müsse eigentlich reichen. Der Sohn aber wollte unbedingt den schwarzen Käfer 1303 S mit D&W-Sitzen und ATS-Rädern und 50 PS, der um die Ecke stand und ihn täglich lockte. Doch der war absolutes Tabu. Doch als nach sechs Wochen der Vater auf einmal begann, an den Schwellern des Kompromiss-Audi herumzuschweißen, da waren die dunklen Wolken wie von Zauberhand verflogen.
Edelfan der Friedrichsdorfer PS-Schmiede
„Ich musste immer Autos mit richtig viel Power besitzen,“ resümiert Dimmler. Viele kaputte Golf GTI's waren in den 80er Jahren darunter, die der begabte Kfz-Mechaniker, der nach der Lehre noch Maschinenbau studierte, wieder fit machte und stets mit Gewinn verkaufte. Und deswegen konnte irgendwann auch der erste Kontakt mit Oettinger zustande kommen. „Der Name war für uns was ganz Großes, unerreichbar teuer, aber brillante Technik.“ Bis es aber so weit war, musste die Pflichtlektüre wie “Jetzt mache ich ihn schneller“ oder „Das große GTI-Buch“ reichen. Die mit Liebe gepflegten Exemplare besitzt Dimmler noch heute.
Doch wegen der vielen lukrativen Auto-Deals war dann auf einmal sogar die Championsleague drin. Nach zwei wieder aufgebauten Unfallwagen war der dritte Oettinger Ende der 80er Jahre bereits fast neuer Golf II 2000 E/16VS mit 182 PS und allem, was die Aufpreisliste des Edeltuners so hergab: Ledersitze, Streben, Lenkrad, Felgen, Fahrwerk. Gebraucht kostete das Schmuckstück damals über 30 000 DM!
Wie aus dem Golf I GTI ein 2000E/16 wurde
Den weißen Golf I GTI I besitzt der Diplom-Ingenieur übrigens seit 1991. Zuerst habe er damit an Fahrerlehrgängen auf der Nordschleife teilgenommen. (Was sich Jahre später auch auszahlen sollte. 2007 beendete Dimmler das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring in einem Polo 16V als Klassensieger...!). „Währenddessen stand der original erhaltene Golf GTI wie ein Sammlerstück viele Jahre bei Muttern in der Garage, Kilometerstand: 130.000“.
Doch vor drei Jahren sollte ihm neues Leben und so richtig Dampf eingehaucht werden. Bei einer Ebay-Aktion erstand der leidenschaftliche Schrauber aus Gifhorn einen 16 Ventiler mit Zwei-Liter-Oettinger-Motor. An dem Auto war so gut wie alles verrottet. Also trennte Dimmler gemeinsam mit seinem Freund Motor und Technik vom Rest des Schrotthaufens und arbeitete alle Teile innerhalb eines Jahres Stück für Stück akribisch wieder auf. Seither sorgt der leichte Kompaktsportler für Menschentrauben, sobald sein stolzer Eigner die Motorhaube öffnet. „Er geht heute noch so unglaublich ab wie damals,“ schwärmt Dimmler, „er brüllt und dreht spontan hoch, und das ganz ohne Ladedruckverzögerung wie die GTIs von heute.“ Und der rauhe Sound erinnert verteufelt an Chris Rea, der auch in jenen Jahren seine besten Zeiten hatte...
Der 16-Ventiler beschleunigt wie ein Porsche 911 SC
Oettinger bot schon damals sowohl Motor-Umbauten als auch Karosseriekits an. Doch um 1982 einen Serien-GTI mit 1.800 ccm und 112 PS auf einen Oettinger 2000E/16 mit 160 PS hochzurüsten, war ein immenser technischer und finanzieller Aufwand vonnöten. Eine spezielle Oettinger-Kurbelwelle mit angeschmiedeten Gegengewichten ermöglichte die Hubraumvergrößerung. Das Ursprungsaggregat erhielt außerdem den Oettinger-Vierventil-Zylinderkopf, den ersten, der seinerzeit weltweit in Großserienfahrzeugen verbaut wurde, geschmiedete Muldenkolben und eine Oettinger-Ölwanne mit integriertem Ölhobel und auch die Oettinger-Armaturen. Derlei kostspielige Zutaten trieben den Umbau laut Preisliste auf exakt 13.274 DM. Wer dazu noch Spoiler, Schwellerleisten oder Fahrwerk orderte, kam auf bis zu 17.145 DM. Zum Vergleich: ein „nackter“ GTI kostete damals 20.465 DM... Dafür begeistern noch heute die Fahrleistungen: In 6,9 Sekunden beschleunigt der Golf 2000 E/16 von Null auf 100 km/h! Ein Porsche 911 SC war gerade mal eine winzige Zehntel Sekunde schneller.
Außerdem kann sich der Gifhorner Fan des Friedrichsdorfer Tuners sicher sein, dass in diesem Zustand kaum noch ein Oettinger-16-Ventiler in Deutschland existieren sollte. Ohnehin sind die meisten (etwa 1.600) als Golf GTI 16/S nach Frankreich exportiert worden. Der Zylinderkopf von Dimmlers Golf trägt die Stempelung 1.940.
Im ganz normalen Alltag bewegt der Diplom-Ingenieur übrigens einen aktuellen Golf VII GTI. Seine Partnerin fährt an schönen Tagen und Abenden nebenher ein schnelles Käfer 1303-Cabriolet, das 1976 direkt von Oettinger mit dem berühmten Zweiliter-Motor und der TSV-Anlage ausgeliefert wurde. Da braucht es dann schon so einige Garagen.
Und der elfjährige Sohn reicht seinem Vater bereits mit Wonne das Werkzeug, wenn der mal wieder schrauben sollte.
Geschichte wiederholt sich...!