dank Oettinger
Wie der Tuner seinem Fotografen den Weg zum Filmproduzenten ebnete / Noch heute schwärmt Gerhard Burock vom getunten VW Santana
Er kennt den halben Globus. Der motorsportbegeisterte Fotograf und Kameramann Gerhard Burock (66) aus Taunusstein bei Wiesbaden hat für Mercedes Benz gedreht, für Saab und Skoda, er hat Rallye-Weltmeisterschaften begleitet oder die Gruppe-C-Weltmeisterschaft und die Truck-Europameisterschaft. Und er hat für den Falken-Verlag in Verbindung mit dem Hessischen Rundfunk Reiseberichte aus aller Welt produziert. Dass es soweit kam, lag ein wenig auch an Gerhard Oettinger. Und das kam so:
Seit Beginn der 70er Jahre arbeitete der Werbefotograf Gerhard Burock für den hessischen Tuner. Er machte die Aufnahmen von allen Neufahrzeugen, von Kurbelwellen und Zylinderköpfen für die Kataloge. Nebenher beschäftigte er sich privat mit der Super-8-Filmerei und bannte für den Prototypenbauer Bernd Michalak ein Opel Corsa Cabriolet auf Zelluloid. Oettinger sah diesen Film. Und da es die Zeit der beginnenden Imagevideos für Unternehmen war, wollte er unbedingt auch ein solches Produkt.
Kein Imagefilm ohne Ausrüstung
Doch Burock wehrte ab. Es ging um Oettingers neue Firmenzentrale, die im Frühjahr 1987 Anlass zu den Dreharbeiten sein sollte. „Dafür ist meine Ausrüstung zu amateurhaft,“ sagte er. Um einen wirklich professionellen Film herzustellen, benötige er ein U-matic-Equipment (dieses erste Cassettenformat war damals gerade sehr im Kommen), also eine Kamera, zwei Recorder und einen Schnittplatz.
„Was kostet das?“ fragte Oettinger knapp. Burock: „Alles zusammen 125.000 DM, aber die habe ich nicht.“ Oettinger finanzierte die Ausrüstung vor und schloss mit Burock einen Leasingvertrag ab. So begannen dessen Bilder professionell zu laufen...“
Über Weihnachten und Neujahr machte sich der Fotograf mit der neuen Technik vertraut. Anfangs stürzten die Bilder ständig ab. Burock rief den JVC-Kundendienst an. Dort erklärte man ihm, dass die Synchronisation zwischen den Rekordern mit einem Kabel hergestellt werden müsse. Danach war das Problem behoben.
In der Kälte vergaß Oettinger sein berühmtes Credo Die Dreharbeiten fanden im März statt. Unter anderem handelte es sich um einen Besuch bei der Motogema, einem badischen Tochterunternehmen, das Präzisionskomponenten wie Zylinderköpfe oder Nockenwellen für den PS-Zauberer, aber auch für große Automobilhersteller und die Formel 1 herstellte. Es folgten Fahrszenen mit dem damals aktuellen Oettinger Golf II 16 V. Schließlich war das Interview mit Gerhard Oettinger dran. Es war ein freundlicher, aber bitterkalter Vormittag mit Temperaturen unter minus 10 Grad, und dem Firmenchef gefror ständig das Gesicht. Denn er stand dekorativ und nur im Anzug draußen vor seinen neuen Geschäftsräumen. Nach jeweils drei Sätzen musste das komplette Team immer wieder für einige Minuten zum Aufwärmen in den Showroom gehen, erinnert sich Burock. „Am Ende war Oettinger so gestresst, dass er sich nicht einmal mehr an sein eigenes, berühmtes Credo erinnern konnte.“ Dabei hatte er es verinnerlicht, weil er es gebetsmühlenartig vor jedem Geschäftspartner, jedem Kunden und jedem Journalisten zitierte: „Hubraum ist durch nichts zu ersetzen außer durch noch mehr Hubraum.“
Familiäre Atmosphäre im Unternehmen
Burock erinnert sich neben dieser Anekdote noch an viele typische kleine Details. Oettinger habe ihn von Anfang an geduzt, umgekehrt galt das nicht. Im Unternehmen habe eine fast familiäre Atmosphäre vorgeherrscht. „Wenn wir in der Umgebung von Friedrichsdorf für Oettinger drehten, kam die Ehefrau des Patriarchen immer mit einem Korb vorbei, in dem Kaffee und Kuchen waren.“ Doch Geschäftsessen, so wie sie heute üblich sind, habe es damals nicht gegeben.
Wenn man in Oettingers Büro saß, empfahl es sich, eine gewisse technische Vorbildung mitzubringen. „Sonst hätte man dem Gespräch bald nicht mehr folgen können.“ Burock hatte sie, war er doch einst selbst Schrauber gewesen und sogar Hessenmeister im Autoslalom in einem scharf gemachten NSU TT. Deswegen mochte der Friedrichsdorfer Meistertuner ihn auch. „Wer professionell dachte und arbeitete, der hatte bei Oettinger richtig gute Karten!“
1984 fotografierte Burock einen grünen Oettinger Santana am Frankfurter Flughafen für einen Prospekt. Aussehen und Fahrleistungen hatten es ihm dabei so angetan, dass er den Wagen anschließend erwarb und sogar noch heutzutage von ihm schwärmt. Der Santana hatte statt des serienmäßigen 2,0-Liter-Fünfzylindermotors (115 PS) ein auf 2,5 Liter hubraumerweitertes, durchzugsstarkes Aggregat mit 150 PS, dazu eine Oettinger-Heckschürze, sieben Zoll breite Felgen und einen kleinen Heckspoiler.
Bis Anfang der 90er Jahre filmte und fotografierte Gerhard Burock für den ältesten Tuner Deutschlands. 1983 habe er einmal vor einer besonders schwierigen Aufgabe gestanden. „Wir wollten damals ein luxuriöses Einzelstück, die sündhaft teure Oettinger-Doppelkabine, vor einem Wasserfall im Harz fotografieren,“ erinnert er sich. „Doch just, als wir ankamen, floss das Wasser nur spärlich.“ Also habe er sich mit einer Langzeitbelichtung gerettet.
Niemandem fiel das auf. So gut war das Foto geworden...