Das Beste kommt erst noch!

Der renommierte Autodesigner Rolf Schepp entwirft alle Aerodynamik-Bauteile und Felgen für Oettinger

Sein Büro in der Nähe von Gießen gleicht einer überdimensionalen Pilotenkanzel. Die im Halbrund angeordneten hohen Fenster garantieren eine 180 Grad Rundumsicht, der Blick gleitet hinab auf einen langgezogenen See mit sanften Berghängen dahinter. Diese inspirative Atmosphäre mit dem weitem Horizont passt zu einem wie ihm. Der Autodesigner Rolf Schepp (58) arbeitet gerade an einem neuen Auftrag für Oettinger. 

Ein Designerleben, 15.000 Entwürfe 

Etwa 15.000 Scribbles (Handskizzen) hat er in seinem beruflichen Leben entworfen, die Endfassungen fein säuberlich abgelegt in flachen, weißen Schubladenschränken an der Rückseite seines Büros, geordnet nach Auftraggebern. Allein für die „Autozeitung“ hat Rolf Schepp seit Ende der 80er Jahre unter dem Pseudoynm „De Lusi“ um die 3.000 visionäre Entwürfe kommender Automodelle angefertigt. 

Doch mochte es der Designer, dessen Examensarbeit an der Gesamthochschule Kassel (innovative Innenraumgestaltung eines Mittelklassewagens) im Jahre1983 um die ganze Welt ging, nicht bei diesen Projektionen in die Zukunft bewenden lassen. Vielmehr wollte er seine Ideen auch auf der Straße sehen. „Ich möchte die Phantasie an der Realität messen.“ 

Seit 2005 schärft Rolf Schepp für Oettinger

Daher fuhr er eines Wintertages auf dem Weg zum Skilaufen in den Alpen einfach mal bei Oettinger vorbei. Der Firmensitz des ältesten VW-Tuners Deutschlands liegt in Sichtweite direkt an der Autobahn Kassel-Frankfurt. Nachdem er das Gebäude betreten hatte, war bereits nach kürzester Zeit klar: Rolf Schepp ist ab sofort zuständig für Oettingers optisches Tuning. Das war Anfang 2005. Sein Erstlingswerk war im selben Jahr der geschärfte Oettinger Golf V GTI. 

Am 1:1-Modell gestalten wie ein bildender Künstler 

Immer, wenn so ein Auftrag kommt, sind die Abläufe nahezu identisch. Zunächst fertigt Rolf Schepp aus dem Handgelenk Scribbles an, auf denen er die Wünsche seiner Kunden aus der Autoindustrie optisch gestaltet. Das kann sogar in der Badewanne passieren, „denn da habe ich oft meine besten Ideen.“ Also liegen ein Din-A5-Block und ein Zeichenstift griffbereit immer da, wo andere ihr Gin-Tonic-Schaumbad platziert haben. Nach gemeinsamen Detail-Besprechungen und -korrekturen entstehen im zweiten Schritt am Computer illustrierte Darstellungen, anschließend dreidimensionale Ansichten, die fast nicht mehr von einem echten Foto zu unterscheiden sind. Den Designcharakter seiner Entwürfe überträgt Rolf Schepp mit Tapes, also mit flexiblen Klebebändern, auf ein 1:1 Modell. Die Modellbauer gestalten nach diesen Angaben die Fahrzeugform. Dazu verwenden sie Werkstoffe wie Ton, Polyurethan-Schaum oder Epo-Wood, eine mit Harz getränkte Sägespäne-Masse, die sich in alle Richtungen gleichmäßig bearbeiten lässt. 

Rolf Schepp begleitet voller Konzentration diesen langwierigen Prozess. Wie ein bildender Künstler schreitet er mal näher an das Modell heran, weicht dann wieder einige Meter zurück und überprüft aus allen Perspektiven, wo etwas Material weggenommen oder hinzugefügt werden muss. 

Die VW-Werte müssen sich auch bei Oettinger wiederfinden 

„Das Design muss am Auto wachsen,“ erklärt er, „am wichtigsten sind gute Proportionen, der Körper muss stimmen, Details kommen erst ganz am Schluss.“ Dabei müssen die Produktsprache, der Designcharakter der Muttermarke unbedingt erhalten bleiben. „VW verkörpert für mich Attribute wie Wert-Beständigkeit, Geradlinigkeit und Zuverlässigkeit. Diese Werte müssen auch in der Formgebung der Oettinger Fahrzeuge eindeutig erkennbar sein.“ Am Computer werden später die neuen Flächen über ein CAD-Programm optimiert, aus diesen Daten entstehen die endgültigen Formen für Radverbreiterungen, Spoiler, Schweller oder Heckdiffusoren. 

Zu Beginn seiner Karriere hat Rolf Schepp zunächst sieben Jahre lang in Deutschland, in England und in den USA in der Autoindustrie gearbeitet und immens viele Erfahrungen in den Designstudios von Opel, Ford und Volkswagen gesammelt („das war wichtiger als das Studium“). Er hat viele Stilrichtungen kommen und gehen sehen. Die Keilform von Colin Chapman war für ihn besonders wegbereitend, weil sie mehr Anpressdruck erzeugte. Heute braucht man dieses Design nicht mehr unbedingt, denn der Anpressdruck wird auch durch den immer glatter werdenden Unterboden ermöglicht. 

Jetzt setzt sich Rolf Schepp rasch wieder an seinen ewig langen Arbeitstisch mit den großen Computer-Bildschirmen und dem wunderbaren Ausblick. Er lässt sich nicht weiter stören. Wenn in Kärnten „der See ruft“, sollen sich die Oettinger-Fans vom geradezu atemberaubenden Ergebnis seiner neuesten Arbeit selbst überzeugen können. Denn: „Das Beste kommt erst noch...!“