Zündende Ideen für den Selbstzünder

Gerhard Oettinger war auch Deutschlands Dieseltuning-Pionier

Die Anfänge des Oettinger-Dieseltunings reichen exakt bis ins Jahr 1980 zurück. Und damit dürfte der geniale Diplomingenieur aus Friedrichsdorf bei Frankfurt auch bei den Selbstzündern der Pionier gewesen sein. (Denn erst ein Jahr später begann die laut Eigenwerbung „älteste Dieseltuning-Firma Deutschlands“, Sepp Papmahl aus Denkendorf, mit dem Experimentieren von Turboladern am Golf Diesel, 1984 der „Dieselpapst“ Dietmar Domröse in München mit Ladeluftkühlern für den BMW 524 TD). 

1980: 67 statt 54 PS für den Golf 1-Saugdiesel

Der 1,6-Liter-Serien-Saugdiesel des Golf I, der seit 1980 als Nachfolger des 1,5-Liters mit 50 PS (seit 1976) auf dem Markt war, hatte gerade einmal 54 PS. Er galt im Hause Oettinger als „lame duck“, als lahme Ente. Der PS-Zauberer vergrößerte mit Hilfe seiner genialen, unverwüstlichen Kurbelwelle den Hubraum des Golf Diesel. 200 ccm mehr ergaben 11 und 13 zusätzliche PS. 

Den 1982 folgenden Golf GTD 1,6 L (im GTI-Look) mit Turbolader steigerte Oettinger auf gleiche Weise umgehend von 70 PS auf 83 PS. Und gerade dieser stärkere Selbstzünder hatte nicht nur ein beeindruckendes Drehmoment, sondern unterbot bei einer Nachmessung im VW-Abgaslabor sogar die strengen US-Abgaswerte. 

1988 kamen bei Oettinger Ladeluftkühler in Mode

Im Laufe der folgenden Jahre wurden unendlich viele Seriendiesel in Friedrichsdorf optimiert, ab 1988 auch durch den Einbau von Ladeluftkühlern. Im April lud Oettinger mit dem Slogan „Power für den Diesel“ zu einer Frühjahrs-Sonderschau. Für die Modellpalette von Golf, Passat und VW-Bus konnte der PS-Zauberer die 1,6 Liter-Turbodiesel Aggregate nun statt mit 70 PS mit 90 PS und 110 PS anbieten, nachdem sie seine Tuninghallen durchlaufen hatten. 

Ab 1990: die Chiptuning-Revolution 

Mit Beginn der 90er Jahre durchlebten die Friedrichsdorfer Tuner wie der Rest der Dieselwelt eine regelrechte Kulturrevolution. Statt durch Hubraumvergrößerungen wurden Diesel-Leistungssteigerungen nunmehr ausschließlich durch Änderung der Parameter der elektronischen Motorsteuerung in Verbindung mit dem Einbau von Ölkühlern erzielt - und dies nicht nur beim Golf, sondern auch bei diversen Audis und bei den Transportern ab dem frontgetriebenen T 4. 

Auch der VW-Passat TDI war natürlich nicht vom Chip-Tuning ausgeschlossen. Wie gut Oettinger dieses neue Metier von Anfang an beherrschte, zeigte sein Dauertest unter allerschärfsten Bedingungen aus dem Jahre 1997. 

Gute Fahrt: „Super-Diesel“

Seinerzeit gab es viele Vorbehalte an den Stammtischen gegen das Tunen von „Heizölferraris“. Alle Welt warnte vor mangelnder Langlebigkeit der Dieselaggregate wegen unseriösem Umgang mit leistungssteigernden Chips. Da kam der Dauertest in „Gute Fahrt“ gerade Recht. Die Redaktion hatte erstmals überhaupt zweieinhalb Jahre lang einen von Oettinger maßvoll optimierten blauen Passat Variant TDI der Baureihe B 4 (1993-1997) heftigst in die Mangel genommen und überschrieb abschließend im März das Ergebnis schlicht mit: „Super Diesel“. 

„Hohe Lebensdauer noch nach 100.000 Kilometern“

Ein Oettinger-Chip und ein luftdurchströmter Ölkühler waren die einzigen Modifikationen am Serienmotor, der 110 statt 90 PS und vor allem eine erheblich verbesserte Fahrdynamik aufwies. In der Beschleunigung von 60 km/h auf 120 km/h nahm der Oettinger TDI dem Original nahezu fünf Sekunden ab (15,1 statt 20 Sekunden). Der Test sollte einem einzigen Zweck dienen: herauszufinden, ob und wie eine maßvolle Leistungssteigerung die Alltagstauglichkeit und die Lebensdauer beeinflusst. Nach 100.000 gefahrenen Kilometern wurde der Motor zerlegt. Auffälligkeiten ergaben sich keine. Weder beim Zylinderverschleiß noch bei den Pleuel-Lagerschalen oder den Kolben. „Selbst eine Resthärteprüfung an der Kolbenoberfläche, mit der gewöhnlich leistungsgesteigerte Motoren entlarvt werden, können, bescheinigte dem Triebwerk noch eine hohe Lebensdauer.“